Polerinas können ein Lied davon singen: Der neue Trick oder die Kombi sitzt endlich und fühlt sich richtig gut an. Man ist happy. Endlich hat alles geklappt!

Aber da war ja noch was: Och neeee, die schlechte Seite muss ja auch noch gemacht werden.

Aber Gott sei Dank naht ja auch schon das Stundenende, da kann man sie ja schnell noch einmal hinter sich bringen..

Und schon ist der Grundstein für eine muskuläre Dysbalance gelegt.

Die zweitbeste Seite aka „Baby-Side“: Haben wir sie nicht alle?!

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Eine muskuläre Dysbalance bezeichnet heruntergebrochen ein „Ungleichgewicht der Muskulatur“. Ein zumindest erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines solchen Ungleichgewichts bergen insbesondere Sportarten, in denen zumindest favorisiert einseitig trainiert wird. Dies können z.B. Poledance, Tennis, Wakeboarden – aber auch viele andere Sportarten sein. Das Ungleichgewicht kann dabei durch eine veränderte Länge, Kraft oder Spannung der Muskulatur auftreten. Ein typisches Muster ist auch eine Kombination aus Muskelschwäche und Verspannung bzw. Verkürzung. Deshalb äußert sich eine Dysbalance auch manchmal (allerdings nicht zwangsläufig) in einer verminderten Beweglichkeit der jeweiligen Region.

Dysbalancen gibt es in verschiedenen Formen. Im „Regelfall nach Lehrbuch“ beschreibt die muskuläre Dysbalance zunächst ein Ungleichgewicht zwischen Agonisten und Antagonisten, also zwischen Beuger und Strecker. Darüber hinaus gibt es allerdings noch weitere Formen der Dysbalance, wie z.B. zwischen Stabilisatoren und Mobilisatoren, zwischen oberer und unterer Körperhälfte oder eben auch zwischen linker und rechter Körperhälfte.

Die Gefahr einer muskulären Dysbalance zwischen rechter und linker Körperhälfte besteht auch beim Polesport, denn eine Seite ist in der Regel immer stärker, beweglicher, geübter, weniger schmerzhaft, dankbarer in der Positionierung… (und ich könnte diese Aufzählung gefühlt endlos fortsetzen). Daher brauche ich im Grunde nicht extra zu erwähnen, dass genau diese Seite im Training natürlich auch wesentlich mehr Spaß macht. 😉

Die andere Seite fühlt sich hingegen – etwas überspitzt gesagt – manchmal so an, als ob man die Sportart noch nie gemacht hätte. Die Griffkraft ist meist weniger gut als beim „starken Arm“ und oftmals sind auch die Bewegungen nicht so geübt wie auf der guten Seite. Es fühlt sich ganz falsch an das „andere Bein“ einzuhaken und manchmal hängt man über Kopf und ist sich unsicher, ob man nun wirklich die richtige Hand genommen hat. Immerhin hat man ja pro Gliedmaßenpaar jeweils zwei Optionen zur Auswahl 😉

Aber gerade dies sind Anzeichen dafür, dass man die schlechte Seite einfach zu wenig trainiert. Ich nehme mich davon nicht aus. Insbesondere Fotoshootingtricks habe ich oftmals „bis zum Erbrechen“ auf der guten Seite geübt und die schlechte Seite dabei komplett vernachlässigt. Auch Online-Kurse sind in meinem Fall ein sehr gutes Beispiel für dieses „Vorgehen“ (oder doch Vergehen?!), gerade wenn die Kombinationen ohnehin schon sehr anspruchsvoll waren. Insbesondere Online-Kurse haben mir oft offenbart, dass die Definitionen von „Beginner“, „Intermediate“ und „Advanced“ manchmal je nach Studio sehr große Abweichungen haben. So hat sich so mancher „Beginner-Intermediate-Kurs“ sehr schnell als zumindest etwas fortgeschrittenes Intermediate-Level entpuppt. Da war ich froh, wenn die Kombi irgendwie auf der guten Seite zu schaffen war.

Leider mag es der Körper langfristig aber gar nicht stark einseitig trainiert zu werden. Daher wird der Weg raus aus der Dysbalance umso beschwerlicher, wenn die schlechte Seite über einen längeren Zeitraum eher stiefmütterlich behandelt und „nur mal mitgemacht“ wurde. Ein befreundeter Physio-Kollege sagte einmal zu mir: „Im Grunde musst du die schlechte Seite immer doppelt so oft trainieren wie die gute“. Na wenn das mal nicht nach Spaß klingt.

Es ist aber wichtig. Zum einen ist der Pole-Sport dafür prädestiniert muskuläre Dysbalancen aufzubauen, wenn wir immer nur an einem Arm hängen, immer nur in einer Schulter rotieren und unsere Muskulatur zumindest stark einseitig kräftigen. Dies ist für den Körper langfristig einfach nicht gesund, sodass man immer den Fokus darauf legen sollte gleichmäßig zu trainieren. Und dies bedeutet eben nicht 10 Versuche rechts und zwei Versuche links. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, die Versuche gleich hintereinander weg zu machen, (es sei denn der Trick ist so gruselig, dass ich für die schlechte Seite einfach noch jemanden zum Spotten brauche). Das erfordert anfangs zwar etwas Koordination und Umdenk-Vermögen, aber auch das wird mit jedem Mal einfacher.

Was das Thema gleichmäßiges Training angeht ist es essentiell in die Eigenverantwortung zu gehen. Auch wenn die Trainerin mal nicht an die schlechte Seite erinnert oder daneben steht und sie einfordert, muss sie gemacht werden. Ja, sie fühlt sich fremd und unnatürlich an. Ja, man fühlt sich in dem Moment wie ein Fremdkörper an der Pole. Ja, es sieht alles nicht so schön aus wie auf der „normalen Seite“ und jaaaa es fühlt sich noch viel schlimmer an. Aber es wird eben auch genau so bleiben oder noch schlimmer werden, wenn wir nicht aktiv daran arbeiten und es immer weiter verbessern.

Für mich ist es mittlerweile ein wichtiges Trainingsziel geworden, mir einen ähnlichen Stand auf beiden Seiten zu erarbeiten. Allein, um den Körper gleichmäßig zu trainieren und Dysbalancen vorzubeugen. Wenn eine Kombination vielleicht noch nicht fließend auf der schlechten Seite klappt oder sich noch zu unsicher anfühlt, dann gebe ich nicht entmutigt auf sondern wiederhole auf der schlechten Seite zumindest die einzelnen Elemente mehrfach, damit die Muskulatur die Abläufe kennenlernt. Vielleicht lassen sich die einzelnen Elemente auf der „Babyseite“ dann zu einem späteren Zeitpunkt miteinander verbinden. Außerdem nutze ich verpasste Stunden aus Urlaubszeiten gerne dazu in einen Beginnerkurs zu gehen und einfach mal wieder Tricks auf beiden Seiten zu wiederholen, die ich längere Zeit nicht gemacht habe. Die Basics sind immerhin das Fundament für alles weitere, deshalb sollte man sich nie zu schade sein, immer weiter an ihnen zu arbeiten. Insbesondere bei der schlechten Seite lohnt es sich definitiv immer die Zeit zu investieren.

Poledance gehört nun einmal zu den eher „asymetrischen“ Sportarten, bei denen man sich selbst aktiv auf die schlechte Seite fokussieren muss. Bei einer Vielzahl von Sportarten trainiert man automatisch beide Seiten mit, sodass diese Diskrepanz gar nicht in so einer Form entstehen kann. Deshalb ist es beim Pole umso wichtiger dies kontinuierlich und vor allem von Beginn an zu tun und auch keine Scheu vor der weniger guten Seite zu empfinden. Sie ist ja nicht umsonst unsere „Baby-Side“ und braucht besonders viel Zuwendung 🙂

In diesem Sinne: JUST DO IT!

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Zusammenfassung: Wie kann ich Dysbalancen vorbeugen?

  • von Beginn an gleichmäßiges Training auf beiden Seiten
  • Entwicklung eines Bewusstseins für den eigenen Körper
  • in die Eigenverantwortung & Ehrlichkeit gehen
  • aktives Fokussieren auf die weniger gute Seite
  • „Angst“ und „Scheu“ überwinden
  • schwierige Tricks und komplexe Kombinationen in einzelne Elemente herunterbrechen
  • Spotting bei unsicheren Tricks, bei denen auch die Matte „dem Kopf“ nicht genug hilft
  • generelle Entwicklung von Trainingsstrategien & „Hausaufgaben“-Planung insbesondere für die schlechte Seite
  • auch mal in einem Beginner-Kurs die Basics auffrischen
  • „just do it!“
  • (….)

Die Liste ist individuell & beliebig fortzuführen.

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It‘s like always: keeping the balance helps us to keep the balance. ♡